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Allem Anfang…
…wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und hilft zu leben, heißt es in Hermann Hesses Gedicht „Stufen“.
STUFEN (Hermann Hesse)
Wie jede Blüte welkt
und jede Jugend dem Alter weicht,
blüht jede Lebensstufe,
blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in and’re, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten!
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
und traulich eingewohnt,
so droht Erschlaffen!
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Räumen jung entgegen senden:
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden.
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Genau eine Woche vor Dienstbeginn als Pastoralassistent in Waizenkirchen erinnere ich mich an den Beginn des letzten Arbeitsjahres. An eine Tafel hatte ich auch dieses berühmte Zitat von Hermann Hesse geschrieben. Nun erinnere ich mich wieder daran. Ein Zauber. Er hilft und beschützt uns. Mich, und auch die Menschen in der Gemeinde, in der Pfarre. Ich mag es nicht gerne, hier zu trennen. Ein Ort ist keine Pfarre und eine Pfarre kein Ort. Wir globalisieren uns im Internet und im analogen Leben und deshalb gibt es für mich hier keine klaren Grenzen. Überhaupt gehören viele Grenzziehungen überdacht. Inklusion und Exklusion sind heute wirksame Mechanismen. Die Digitalisierung unserer Welt hat viele dieser Grenzen überwunden, andererseits aber auch viele neue entstehen lassen.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in and’re, neue Bindungen zu geben.
Ende und Neubeginn
Ein Ende. Es ist ein Ende. Nicht mehr die zermürbenden täglichen 160 km täglich nach Ried. Und eben Neubeginn, ein Lebensruf. Dieser Anfang bedeutet mir viel. Nach dem turbulenten Herbst und dem bewerbungsbedingt turbulenten Frühjahr stelle ich mich ein auf andere, neue Bindungen. Ich werde in die Lebensgeschichten vieler Menschen eintreten, teilhaben. Und viele Menschen werden mich teilhaben lassen an den eigenen Biografien, vielleicht nur an manchen Details oder Äußerlichkeiten, vielleicht aber auch an mehr. Wer weiß? Ich bin bereit, viel zu geben.
Vertrauen
Ein bisschen Mut und Tapferkeit gehört schon zu jedem Neubeginn. Natürlich, ein Jahr lang konnte ich bereits Erfahrungen in hauptamtlicher pastoraler Tätigkeit sammeln. Aber nun beginnt ein unbefristetes Dienstverhältnis. Das bedeutet auch ein gewisses Vertrauen. Das Vertrauen der diözesanen Verantwortlichen, die mich „ins Rennen“ schicken. Das Vertrauen eines Freundes, des Pfarradministrators. Das Vertrauen des Pfarrgemeinderates, den ich bereits kennenlernen durfte. Schließlich auch mein eigenes Vertrauen in die neue (Lebens-)Aufgabe. Ich blicke sehr gelassen in diese doch auch ungewisse Zukunft. Sicherheit gibt mir das Vorschussvertrauen des Pfarrgemeinderates und des Pfarradministrators, vor allem aber geben mir meine sehr stabilen Beziehungen tiefen und festen Halt. Meine Frau, meine Familien, meine Freunde. Und die Beziehung zu dem, der in mir wohnt und durch den ich lebe.
„Es ist alles fromm, was dem Leben dient.“
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten!
Gerade erinnere ich mich an ein Gespräch. „Das ist aber nicht sehr fromm“, habe ich aufgenommen. Meine Antwort war: „Es ist alles fromm, was dem Leben dient.“ Diese Ansicht ist vielleicht etwas weit zum Fenster hinausgelehnt, aber dazu stehe ich. Schließlich und endlich geht’s darum, was dem Leben dient, was in die Weite führt. Die (gedankliche) Enge macht nervös, ängstlich, unfrei. Deshlab freue ich mich auch auf die Hauptaufgabe in Waizenkirchen: Die Arbeit mit den / für die Jugendlichen. Es ist ein Unterschied zwischen fromm und fromm. Was die einen für besonders fromm halten, ist für andere lächerlich und umgekehrt. Aber das soll nicht im Mitttelpunkt stehen. Was dem Leben dient, ist fromm. Auch wenn nicht das Schild „kirchlich genehmigt“ dranhängt.
Spielend leicht
Eines der Dinge, die ich mit Leidenschaft und großer Hingabe mache, ist Spielen. Es ist das Abtauchen in eine andere Welt, das so faszinierend ist. Jemand anderer sein dürfen, wie im Fasching. Etwas ausprobieren, wie ein Kind. Sich ausklinken, wie ein Urlauber. Sich reinsteigern, wie ein Besessener. Das Verlieren lernen, wie ein Mensch. Siegen, wie ein König. Und das alles in vielleicht einer halben Stunde. Unfassbar, wie verdichtet sich das Leben im Spiel abspielt. Der spielende Mensch, der „homo ludens“ ist für mich der Inbegriff des gelungenen Lebens. Wer verlernt hat, spielerisch mit der Welt, den Mitmenschen, sich selbst umzugehen, dem fehlt etwas. Ein wenig Beweglichkeit, vielleicht Humor, vielleicht auch Tiefe.
Spiel und das spielerische Umgehen bringt Leichtigkeit, weitet Herz und Gedanken. Vielleicht kann und darf ich auch davon etwas einbringen in mein neues berufliches und menschliches Umfeld.